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Das Geheimnis der französischen Croissants - Eine Geschichte von Mehl und Handwerkskunst

  • Autorenbild: Klaus Lintemeier
    Klaus Lintemeier
  • 29. Dez. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Feb.

Die Frage, warum französische Croissants viel besser schmecken als ihre internationalen Pendants, führt uns tief in die Welt der Mehlkunde. Während viele das Geheimnis in der Butter oder der Technik suchen, beginnt die Geschichte der perfekten Croissants bereits bei der Auswahl des Mehls. Die französische Mehltypisierung unterscheidet sich dabei fundamental von der deutschen.

Croissant und Café Crème im Bistro K, 140 Rue de la Roquette, 11e
Croissant und Café Crème im Bistro K, 140 Rue de la Roquette, 11e

In Frankreich wird Mehl nach seinem Mineralstoffgehalt klassifiziert – ein System, das sich in den T-Werten widerspiegelt. Zwischen dem feinsten T45 und dem Baguette-Mehl T65 (La Banette) liegt das vielseitige T55 (Farine de Froment), das Allround-Talent der französischen Küche. Mit seinem ausgewogenen Glutengehalt und der feinen Textur eignet es sich hervorragend für Crêpes, Tartes und klassisches Gebäck. Es verleiht den Backwaren eine besonders gleichmäßige, helle Krume und eine seidige Textur. Das noch feinere T45, auch als «Farine de gruau» bekannt, ist dabei der Star unter den französischen Mehlen. Mit seinem außergewöhnlich hohen Glutengehalt bildet es das Fundament für die charakteristische Textur französischer Croissants und Brioches. Die feinen, regelmäßigen Luftblasen in der Krume, die beim Biss erst zart knacken und dann auf der Zunge zergehen, verdanken wir diesem besonderen Mehl.

 

Nicht weniger interessant ist das T65, das «Baguette-Mehl» Frankreichs. Mit einem Glutengehalt von 10 bis 12 Prozent übertrifft es selbst die stärksten deutschen Mehle der Type 550, die meist bei 8 bis 9,6 Prozent liegen. Doch es ist nicht nur die Menge des Glutens, die den Unterschied macht. Französische Mühlen selektieren ihre Weizensorten sorgfältig nach der Qualität des Glutens, seiner Elastizität und Dehnbarkeit. Diese Eigenschaften, gepaart mit traditionellen Mahlverfahren und strengen Qualitätskontrollen, erschaffen Mehle, die sich perfekt für lange Teigruhezeiten und intensive Verarbeitung eignen.

 

Das Resultat dieser Sorgfalt zeigt sich besonders bei Feingebäcken wie Croissants und Tartes. Sie entwickeln eine einzigartige, luftige Textur, die gleichzeitig stabil und zart ist. Französische Bäckermeister nutzen diese Eigenschaften gekonnt aus, indem sie dem Teig Zeit geben, seine Aromen und Strukturen voll zu entwickeln. Die längeren Ruhezeiten und die präzise Temperaturführung vervollkommnen dabei das Zusammenspiel aller Faktoren.

Die französischen Brotmehle T65 und T45 werden auf einen höheren Protein- und Glutengehalt sowie auf eine gute Dehnbarkeit der Teige ausgelegt als deutsches Mehl, das für die maschinell unterstützte Herstellung von Kleingebäck wie Brötchen optimiert worden ist.

Das kleberstärkste deutsche Mehl ist also gerade einmal so glutenhaltig wie das kleberschwächste französische Mehl.


Unser Croissant-Rezept

 

Für den Grundteig

500 g französisches Mehl T45

10 g frische Hefe

10 g Salz

55 g Zucker

300 ml kalte Vollmilch

55 g weiche Butter

 

Für die Tourage (Butterschicht)

250g kalte französische Butter

 

Hinweis zur Auswahl der Mehlsorte

Traditionell verwendet man T45 für besonders feine, luftige Croissants. T55 ist eine sehr gute Alternative und in Frankreich das favorisierte Mehl für Croissants. Die Kombination von T45 und T55 (im Verhältnis 70:30) wird von einigen Bäckern bevorzugt, um Stabilität und Leichtigkeit optimal zu verbinden.

 

Zubereitung

  1. Alle Zutaten für den Grundteig zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten.

  2. 30 Minuten bei Raumtemperatur, dann 8 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen.

  3. Butter zu einem Rechteck (15x 20 cm) ausrollen.

  4. Teig auf 20 x 40 cm ausrollen, Butter einschlagen.

  5. Nun beginnt, wie man in der französischen Pâtisserie sagt, die «Tour». Es handelt sich um die Faltarbeit des Blätterteiges. Das Tourieren wird sehr gut bei @getflourish erklärt: Dreifach-Tour durchführen, 30 Minuten kühlen.

  6. Zweite Dreifach-Tour, wieder 30 Minuten kühlen.

  7. Einfach-Tour, 30 Minuten kühlen.

  8. Teig auf 3 bis 4 mm Stärke ausrollen, Dreiecke schneiden.

  9. Croissants formen, 2 bis 3 Stunden gehen lassen.


Bei 200°C werden die Croissants etwa 15 bis 18 Minuten goldbraun backen.

 

Das Geheimnis liegt in der präzisen Temperaturführung und der Qualität der Grundzutaten. Die Butter sollte stets kalt, aber formbar sein, der Teig darf nicht zu warm werden. Diese Kombination aus hochwertigem Mehl, traditioneller Technik und Geduld erschafft jene Croissants, die wir mit französischer Backkunst verbinden - knusprig, luftig und von unvergleichlicher Textur.

Diese Differenzierung der Mehltypen zeigt die Tiefe der französischen Backtradition, in der jedes Mehl seinen spezifischen Einsatzbereich hat und die Charakteristik des Endprodukts maßgeblich beeinflusst. Ganz vorzügliche Produkte rund ums französische Kochen und Backen kann man im Internet bei spezialisierten Händlern bestellen, die französische Mehle nach Deutschland importieren.


In Deutschland bestelle ich gerne bei Aurélie Bastian, Französisch kochen & backen: https://www.franzoesischkochen.de/shop/weizenmehl-typ-55-speciale-patisserie-1-kg/



Literatur


Bastian, Aurélie (2017): Französisch backen: Meine Lieblingsrezepte. – Südwest-Verlag.

 

Kayser, Éric (2019): Le Larousse du Pain: 80 recettes de pains et viennoiseries. – Larousse.

 

Kayser, Éric (2021): Le Grand Livre du Pain: 50 recettes authentiques pour (re)découvrir le pain. – Larousse.

 


 

1 Comment

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Daniel
Jan 09
Rated 5 out of 5 stars.

Sehr spannend, wieder was gelernt. Ich dachte auch bisher, dass es die Butter war. Ich muss aufhören, ich bekomme Hunger. Toller Blog! Ich liebe auch Paris

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